Etappe 28

Etappe 28 - 29.07.

Als ich an diesem Morgen wieder im Sattel saß, ging es tausend mal schwerer als sonst. Es hat sich angefühlt, als würde meine Satteltasche schleifen oder jemand hinten dran hängen, den ich ziehen muss. Das Fahrrad kam mit 10 Kg schwerer vor. 

Es war auch der erste Tag, an dem ich mit dem Ziel, Kilometer zu machen und möglichst weit zu kommen, los gefahren bin. Sonst war es immer so, dass ich so weit gefahren bin, wie mich meine Kräfte und meine Motivation tragen. Aber da ich mich für Samstag bei meiner Oma in Wittenberg angekündigt hatte, “musste” ich nun eine bestimmte Strecke pro Tag fahren. 

Diese “Muss”-Einstellung hat glaube ich auch sehr viel zum schwerfälligen Fahren beigetragen. Dabei musste ich gar nicht wirklich. Ich hätte auch nochmal anrufen und  mich um einen Tag später ankündigen können. Aber irgendein Teil in mir fand es auch reizvoll, so viel Strecke zu machen… 👀





Kurze Pause an einem kleinen See

Der Tag war allerdings auf gut deutsch beschissen. Es wurde von Kilometer zu Kilometer schwerer, ich bin vor mich hin gekrochen und die gefahrenen Kilometer schienen in Zeitlupe mehr zu werden. Außerdem ballerte die Sonne auf mich hinunter, es war heiss und teilweise hat mich der Wind noch zusätzlich gebremst. 


Los ging der Tag übrigens damit, dass mich meine Navigations-App direkt in den nächstbesten Wald geschickt hat und der Untergrund aus benadeltem Sand bestand. Ich bin kaum voran gekommen und musste teils sogar schieben. Diesen Weg ist bestimmt seit Jahren niemand gefahren - zumindest nicht mit dem Rad. 

Ich hatte es so satt, dass ich als ich wieder Asphalt unter den Rädern hatte, meine Routenplanung direkt auf “Rennrad” umgestellt habe, um Wege wie diesen zukünftig zu umfahren. 


Diese Entscheidung hatte aber auch ihre Nachteile… denn ab diesem Moment ging mein Weg nur noch auf Fahrradwegen direkt neben Bundesstraßen entlang. Teilweise unter der Baumallee der Straße, teilweise aber auch unter der prallen Sonne. Es war echt sau unangenehm. 


Ich habe Podcasts gehört und versucht auf Autopilot umzuschalten, aber durch meine Erschöpfung in den Beinen ging das nicht so gut wie sonst. Es war als hätte jemand einen Riegel vorgeschoben und ich  bin über eine gewisse Geschwindigkeit nicht mehr hinaus gekommen. 


Nach 50km (Noch weitere 20km bis Potsdam) habe ich mir beim Netto erstmal ein Stück Käsekuchen gegönnt und noch auf dem Parkplatz verspeist. Ich hatte gar keinen Hunger und meine Laune hat er auch nicht wirklich gehoben…

Dann ging’s weiter nach Potsdam.



Wohlverdiente Erfrischung





Es zog und zog sich und die Kilometer bis zur Landeshauptstadt Brandenburgs wurden einfach nicht weniger. Ich war echt so genervt und gereizt, dass die kleinste Sache mich dazu hätte bringen können, abzusteigen und mein Fahrrad zu treten. Das kann natürlich nichts dafür ich weiß. Im Gegenteil! Ich bin heilfroh, dass meine Reifen und mein Rad mich so treu unterstützen und nicht kaputt gehen. Das wäre gestern echt der Supergau gewesen. 


In Potsdam angekommen, wollte ich einfach ein schönes kleines Ständchen am Wasser um eine Berliner Weiser zu trinken. Nichts schwerer als das! 

Ich bin durch die Innenstadt durch, habe mich gefühlte 100 mal verfahren und bin dann auch noch komplett in die falsche Richtung, weil mein Navi auf dem Kopfstand und ich den “gefahrenen Strich” mit dem “zu fahrenden Strich” verwechselt habe. 🥴 


Viele schweißtreibende und Eskalationstufe 9/10 Momente später saß I h endlich am See in einem abgefrackten kleinen Imbiss und hatte meine Berliner Weise vor mir. Meine Stimmung war immernoch sehr schlecht aber immerhin hatte ich den Großteil der Strecke hinter mir. 


Ich dachte mir, dass ich lieber jetzt die Kilometer schrubbe, als sie am nächsten Tag noch vor mir zu machen, sodass ich pünktlich in Wittenberg am Kaffeetisch sitzen kann. Also ging’s wieder in den Sattel. 




Als ich endlich (!) am Campingplatz angekommen bin, konnte ich dort erstmal in den See springen. Dann folgte nur noch Zelt aufbauen, Nudel und Schlafen. 


Die Etappe bis Wittenberg machte mir schon am Vortag Unlust, da die Strecke quasi kerzengerade entlang der Bundesstraße verläuft. Keine Abwechslung. Keine Kurve. Nichts außer stur vor sich hintreten… Yippie! 🥲🥴


Falls sich jemand gefragt hat, ob es nicht auch mal Tage gibt, wo ich gar keine Lust habe… Heute war so ein Tag !!! So einen Frust auf dem Rad hatte ich bisher auf meiner ganzen Reise noch nie! Aber mir ist auch aufgefallen, dass sich so ein Frust weitaus besser handeln lässt, wenn man alleine ist. Zumindest bei mir. Denn dadurch, dass ich niemandem meinen Unmut mitteilen kann, bleibt er sozusagen in mir drin und wird nicht noch größer. In solchen Situationen redet man sich glaube ich erst richtig in Rage wenn man es mit jemandem teilt. Alleine konnte ich es noch ganz gut aushalten. 


Route 


Kilometer: 97km

Gesamtkilometer: 2240 km



Kommentare

  1. Pennebaker et al.

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    1. Das ist doch genau das Gegenteil von Pennebaker oder? Eigentlich müsste es ja helfen zu reden. 👀🤔

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