Boquete - Eine Lektion in Frustraionstoleranz

Über diesen Stopp habe ich gar nicht wirklich Lust, etwas zu schreiben, und die ganze miserable Wanderung nochmal durchzukauen. Aber fürs Gesamtbild meiner Reise und die Vollständigkeit des Blogs finde ich es wiederum wichtig, diesen Frustrationspunkt auch zu erzählen. 

Durch den Regen um mich wurde es tatsächlich zum Regenwald

Alsoooo…. um mal vorne anzufangen: Ich bin gegen Mittag von Bocas del Torro aufgebrochen - natürlich wieder im Regen - und ins Boot Richtung Festland gestiegen. Auf dem Boot habe ich eine Schweizerin aus dem Hostel getroffen und später, als wir auf den Bus nach Boquete gewartet haben, sind noch einige andere bekannte Gesichter aus Bocas aufgetaucht. Und wurde gesagt, dass es „gleich losgeht“ und wir nur noch „kurz“ auf die anderen warten müssen. „Gleich“ hat in diesem Fall wieder mal 1.5h bedeutet. Gelassenheit und ein bisschen weniger auf Pünktlichkeit stressen als bei uns ist ja alles schön und gut, aber wenn man 1.5h später los fährt als geplant, ist das schon nervig. Zumal man die eigentliche und auch noch lange Busfahrt ja noch vor sich hat… Zum Glück konnten wir alle bisschen quatschen. 


Als es endlich los ging wurden wir alle in einen kleinen Mini-Van gepfercht und sind ab ins Inland gedüst. Ich habe ja bisher nicht viel von Panama gesehen, da ich mit dem Nachtbus von Panama City nach Bocas gefahren bin und war daher sehr positiv überrascht, dass die Landschaft genauso saftig grün war wie in Kolumbien. 🇨🇴 


4h später sind wir in Boquete angekommen. Ich bin zum Hostel gelaufen, habe eingecheckt und direkt nach der Vulkanwanderung gefragt, für die Boquete bekannt ist. Vom Gipfel des Vulkans kann man beide Küsten Panamas sehen - den Pazifik und den Atlantik. Gegeben, dass man gute Sicht hat! Da ich durch das ganze Rumsitzen ganz schön Hummeln im Arsch hatte, wollte ich mich unbedingt mal wieder bewegen. Ein anderer Deutscher Ende der 30 namens Christian wollte auch wandern und so haben wir uns für die Wanderung für den nächsten Tag zusammen getan. Ich muss sagen, dass ich zwar Bewegung wollte, weil ich sonst vor Rumlungerei durchgedreht wäre, aber eigentlich überhaupt keine Lust auf einen selbst-organisierten Ausflug hatte. Man muss immer gucken wann, wo welcher Bus fährt, wann der letzte zurück geht, wo man lang wandern muss und so weiter. Ich hatte einfach keine Lust und Kraft mehr auf diese ganzen kleinen Organisationsaufgaben beim Reisen. Auch nicht zu zweit. Dazu kam noch, dass Christian zwar sehr nett war, aber jetzt auch nicht zu 100% mein Fall. Und vor allem - das habe ich dann am nächsten Tag nach den ersten Metern recht schnell rausgefunden - war er seeeehr viel langsamer als ich. Die 5 Wochen in den Höhen der Anden Südamerikas haben sich bei mir bemerkbar gemacht und ich bin ohne Probleme nach oben gekrakselt.



Das passiert wenn 20 Menschen auf engstem Raum nebeneinander schlafen. 


Gerade die erste Stunde war allerdings psychisch für mich echt hat. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass irgendwas unvorhergesehenes passiert und wir umdrehen müssen und doch nicht wandern. Ich hatte überhaupt keine Lust und habe Zürich und alles und jeden zu Hause mehr denn je vermisst. Ich habe mich wie in eine Art Delirium gelaufen und habe den Weg vor meinen Augen vor lauter „Zu Hause Tagträumen“ gar nicht mehr gesehen. Ich habe gedanklich schon die Einkaufsliste für den ersten Tag in Zürich erstellt, bin im Kopf über den Weihnachtsmarkt geschlendert, habe mir in meiner WG einen Kaffee gemacht und mich in mein Bett eingekuschelt. 


Zu dieser eh schon ungünstigen Verfassung kam noch der extrem beschissene (Sorry für den Ausdruck aber das trifft es einfach perfekt) Weg! Es ging 15km ununterbrochen auf einer 3m breiten Straße nach oben. Und danach den exakt selben Weg wieder nach unten. Es war die krasseste Durchhaltevermögen-Frustrationstoleranz-Herausforderung meiner Reise! Man hat auch überhaupt nichts gesehen, da der Weg rechts und links mit ewig gleich aussehenden Wald gesäumt war. 



Erstaunlich gutes Dosen Chili




Cola Oreos… gar nicht so eklig wie erwartet


Zu allem Überfluss habe ich meine Regenjacke nicht mitgenommen, weil der Wetterbericht Sonne angezeigt hat und ich dachte „Es ist eine Wanderung in PANAMA. Wie kalt kann es schon sein?“ . Ich hatte nur meinen Pulli an und ich hatte keine Ahnung, dass der Vulkan auf 3500m ist und es durchaus SEHR kalt werden kann. Vor allem wenn es wie Sau windet - was es bei uns natürlich getan hat. Bergauf war die Kälte durch das Schwitzen nicht so ein großes Problem aber je weiter hoch ich kam (Christian hat sich inzwischen abgekapselt und wir sind separat gegangen), desto windiger, nebliger und vor allem regnerischer wurde es! Die letzten Meter waren einfach nur Scheiße! 

Ich habe mich, während mir der Regen vom kalten Wind ins Gesicht gepeitscht wurde, nach oben gekämpft und als ich oben ankam, habe ich natürlich rein gar nichts gesehen. Nicht mal den Vulkankrater, gedchweigedenn irgendeine Küste. Es war einfach eine weiße Wand um mich herum! Da ich alleine war und weit und breit niemand zu sehen war, habe ich dem beschissenen Wetter meine Wut und meinen Frust entgegengebrüllt, mich auf dem Absatz wieder umgedreht und bin wieder runter. Mir war arschkalt, nun wurde mein Pulli auch noch immer nässer und die ganzen Strapazen haben sich nicht mal gelohnt. Ich war den Tränen nahe und wollte einfach nur nach Hause! 



Ich mit schnellen Schrittes nach unten, wo es zunehmend wärmer wurde, und habe mich mit den Känguru Chroniken abgelenkt. Das einzige Positive war die Bewegung, die ich wollte und auch bekommen habe. Am Ende des Tages standen 31km auf meiner Uhr! Wenigstens das. 


Ich habe auf der Weg bergab zwei Niederländer kennengelernt, die sich ein Taxi vom Wanderweg zurück in die Stayt bestellen wollten und mir angeboten haben mitzufahren. Ich habe dankend zugesagt und bin dann aber, weil einer der beiden immer wieder stehen bleiben musste, weil sein Knie Probleme gemacht hat, schon voraus gelaufen um im Tickethäusschen ganz unten unterm Dach zu warten. 

Dort angekommen habe ich gewartet, gewartet und gewartet und die beiden kamen einfach nicht. Mir wurde durch das Rumsitzen und meinen nassen Pulli immer kälter und ich habe mich schließlich entschlossen einfach weiter zu laufen und statt dem Taxi den öffentlichen Bus zu nehmen, wie geplant. Es war nochmal ganz schön weit bis zur Bushaltestelle und da es sowas wie einen Fahrplan nicht gibt, hatte ich keine Ahnung ob ich 10min oder 1h warten muss. Als gerade ein Taxi vorbei fuhr und mich angehupt hat a la „willste mit?“ bin ich kurzerhand eingestiegen und für 1.5$ innerhalb von 10min am Hostel angekommen. Glück gehabt. 


Ich habe so heiß geduscht, dass meine Haut gedampft hat und mir danach eine schöne Portion Nudeln gekocht. Beim Abendessen in der Küche habe ich zwei super sympathische Schweizerinnen und einen deutschen kennengelernt, mit denen ich den Abend über gequatscht habe und von unserer „extraordinär blöden“ Wanderung erzählt habe. 

Das war das unnötigste Erlebnis meiner ganzen Reise! Aber immerhin sind sowohl ich als auch Christian heile wieder angekommen. 


Eigentlich wollte ich mit dem Nachtbus zurück nach Panama City fahren, aber da es keinen gab, musste ich mal wieder eine lange Busfahrt bei Tag in Kauf nehmen. Früh um 9:00 Uhr ging es los, einmal umsteigen und 19:00 Uhr am Abend war ich in Panama City. Wie schön zeitraffend man solche Busfahrten doch immer erzählen kann. 😉 Erstaunlicherweise verging die Zeit recht schnell. 


Sonnenuntergang im Bus

Sorry aber Polizei auf Fahrrädern kann doch keiner Ernst nehmen oder? Hab sie auch schon in echt radeln sehen und musste jedes Mal grinsen 😉

Mein Allrounder Frühstück - Granola mit Milch und Banana

Als ich umgestiegen bin, musste ich noch eine Stunde im Warteraum warten und habe, was ich noch nie gemacht habe, mein Handy neben mir an die Steckdose angeschlossen und auf den Fenstersims gelegt. Ich habe mein neues Buch aufgeschlagen und bin direkt in die neue Welt in den Zeilen vor mir eingetaucht. Als ich gemerkt habe, dass die Leute um mich herum aufstehen und anfangen einzusteigen, habe ich mein Buch zugeklappt, meine Rucksäcke geschnappt und bin auch eingestiegen. Ich habe mich auf meinen Sitz fallen lassen und habe direkt weiter gelesen. Es hat noch eine ganze Weile gedauert, bis der Bus endlich losgefahren ist und er hat auch 100m weiter direkt wieder angehalten, weil der Fahrer sich noch ein Take Away Essen irgendwo mitgenommen hat. Er kam in den Bus und ich habe, immernoch in mein Buch vertieft, im Hintergrund nur irgendwas von „cellular“ und „sale de Espera“ gehört. (= Handy und Warteraum) Da hat es auf einmal bei mir klick gemacht! Ich habe mein Handy an der Steckdose im Warteraum liegen lassen!!!! Jemand hat den Fahrer angerufen um ihn zu fragen, ob das Handy jemandem seiner Fahrgäste gehört und ich bin vollkommen panisch aus dem Bus gesprintet und zurück zum Warteraum gerannt! Zum Glück war der Bus ja noch nicht weit weg! 

Da kam mir schon ein andrer Mann mit meinem Handy inklusive Ladekabel in der Hand entgegen und hat es mir lächelnd in die Hand gedrückt! Ich bin zurück gerannt und als ich keuchend wieder im Bus saß und mich zig mal beim Busfahrer bedankt hatte,konnte ich meine eigene Dummheit kaum fassen. Aber ich konnte auch die Freundlichkeit und Umsichtigkeit der Panamnesen nicht fassen! Das wäre ja wohl DIE Gelegenheit gewesen mein Handy zu stehlen. Zumal ich eines der neuesten IPhones habe. Damit kann man durchaus Geld machen. Aber nein, sie haben es mir zurück gebracht und sogar extra den Busfahrer angerufen. Dieses Erlebnis, so dumm es war dass es überhaupt passiert ist, ist die Antithese zu allen „Ich wurde in Mittel-/ Südamerika ausgeraubt“ Geschichten und bestätigt einmal mehr meinen tiefen Glauben in das Gute im Menschen. (Aber auf diese Art und Weise auf die Probe stellen muss ich es nicht unbedingt nochmal 😉)


Der Bus ist losgerollt und ich habe mich zurückgelehnt. Nun ging es mit Riesenschritten dem letzten großen Punkt meiner Reise entgegen: Meine 4-Tages Bootstour über die karibische San Blas Inseln zurück nach Kolumbien. 😇🏝️🚤🇵🇦🇨🇴

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