Downsides beim Reisen - Das worüber ich nie schreibe
Ich dachte ich nehme dieses “Bergfest” (wie meine Mama zusammen pflegt) mal zum Anlass, über das Reisen zu reflektieren und vor allem auch mal über das zu schreiben, worüber ich sonst nie schreibe. Die ganzen kleinen Unannehmlichkeiten und Abstriche die man beim Reisen permanent macht. Ich liebe das Reisen, wie ihr ja alle wisst, aber es ist keineswegs so, dass es nur angenehm und toll ist. Ich möchte diesen Blog hier so authentisch wie möglich halten und auch für mich später, wenn ich wieder eine Weile zu Hause war und anfange alles Negative zu verdrängen und das Reisen zu idealisieren, die ganze “Wahrheit” des Reisens festhalten.
Natürlich hält man mit der Kamera immer nur auf die Schönsten Sachen. Natürlich fotografiert niemand die Obdachlosen, die Dreckecken, den Müll am Straßenrand, die verschimmelte Ecke in der Dusche oder macht ein Bild von sich wenn man gerade mies drauf ist. Deshalb jetzt mal ein kleiner Realitätscheck…
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Keine Ahnung was für ein Bild zu diesem Eintrag passen würde… deshalb einfach eins im Dunkeln |
Klamotten 👕👖🧳🎒👙
Ich lebe sobald es weniger als 20 Grad sind in meinem Fleecepulli. Ich habe nur diesen einen Pulli und ich habe ihn sowohl im Nachtbus, draußen auf der Straße als auch im Bett an, wenn es zu kalt ist. Ich darf gar nicht genauer drüber nachdenken, was an diesem Pulli alles schon so dran ist a Dreck… Genau das gleiche mit meiner Leggins. Ich wasche hier circa alle 3-4 Wochen und das heißt, dass ich bis dahin alles zig Mal anziehe. Meine Unterhosen wasche ich wann immer es geht mit mir unter der Dusche und trockne sie irgendwo an meinem Bett. Etwas frisches anzuziehen ist was total Besonderes.
Es war von Anfang an klar, dass ich 4.5 Monate die selben Sachen anhaben werde, aber ich musste ja für sowohl 30 Grad als auch mal 0 Grad packen. Also habe ich die jeweilige Klamotten Rubrik der aktuellen Klimazone durchgehend an. Ich freue mich sooo sehr auf meinen Kleiderschrank, wo ich eine Auswahl an frisch gewaschenen Sachen habe! So ein Luxus!
Wenn es besonders kalt ist, habe ich teilweise im Bett die selben Sachen an wie tagsüber weil ich nicht durchs umziehen wieder frieren will und die Dusche eh nur kalt ist… Hygiene wird beim Reisen echt anders gehandhabt.
Mein Handtuch ist nach 2 Mal benutzen muffig auch wenn es trocknet. Man reibt sich also immer mit diesem Muffigen Ding ab, obwohl man gerade frisch geduscht ist.
Transporte & Organisieren 🚐🚌🚕
Dadurch dass ich alleine Reise, muss ich ALLES alleine organisieren. Und das permanent. Zufälligerweise macht mir das recht viel Spaß und ich kann, im Gegendatz zu anderen Reisenden, nicht behaupten dass ich es krass belastend fände. Aber immer wenn ich länger mit jemand anderem unterwegs war (Julius, Jordan) merke ich wieder wie viel stressiger und einfach subtil belastend es ist, sich um alles alleine zu kümmern. Ich muss den Bus kriegen, checken wo ich raus muss, mein Gepäck immer im Blick haben, alle Leute selber nach Informationen fragen (in Spanisch), die Augen und Ohren einfach immer überall haben.
Ich kenne das ja schon von meinen vergangenen Reisen aber gerade wenn ich mal nicht top fit bin oder der Tag schon lang war, sind diese ganzen Sachen extrem anstrengend. Immer selber Lösungen für alle Probleme die sich auftun zu finden, saugt mit der Zeit extrem an den Kraftreserven, ohne dass man sich dessen wirklich als Stressor bewusst ist.
Hostels raussuchen, vergleichen und buchen. Sich schon bei Ankunft nach dem Busfahrplan erkundigen, damit man am Abreisetag nicht feststellt, dass man ihn gerade verpasst hat, immer genug Geld dabei haben und generell ein Auge aufs Budget haben sind so die täglichen Aufgaben.
Dann kommt noch der Sprachaspekt dazu. Die allermeisten Personen, die man was fragen wollen würde (Busfahrer, Ticketverkäufer, Polizisten, Verkäufer im Supermarkt, Hostelleute,…) können wenig oder kein Englisch. Spanisch ist extrem wichtig aber natürlich tausend mal schwieriger um sich verständlich zu machen. Gerade wenn man müde ist oder einfach erschöpft. Ich frage teilweise 5 Personen weil ich bei jeder nur einen Mini Teil der Antwort verstehe, auch auf Nachfrage nur die selbe Geschwindigkeit hingenuschelt bekomme, und sich erst nachdem mir 5 Personen in verschiedenen Spanisch die selbe Info gegeben haben ein Gesamtbild zusammensetzt.
Der Ortswechsel von A nach B findet meistens mit dem Bus statt. Alles unter 6/7h hat sich als „Katzensprung“ etabliert. Alles drüber wird im Nachtbus gemacht oder man opfert einen Tag.
Im Nachtbus trifft einen meistens schon der Schlag wenn man einsteigt und einem der „Duft“ von über 20 Leuten in einem geschlossenen Raum entgegen schlägt. Im worst case Szenario hat man einen sehr dicken, schnarchenden, Nase hochziehenden Mann und stinkenden Mann neben sich. Im best case Szenario hat man beide Sitze für sich und der Bus ist leer.
So oder so wird dieser aber in der Nacht auf Nordpol-Temperaturen runter gekühlt und man friert sich in Pulli und Jacke noch. Keine Ahnung wer sich das ausgedacht hat. Jeder findet es Scheiß und trotzdem ist es in absolut JEDEM Bus so. Tagsüber laufen in manchen Bussen die krassesten Ballerfilme auf voller Lautstärke und natürlich in Spanisch, sodass man seine eigenen Kopfhörer nicht mehr hören kann. Zum Glück ist das hier aber nicht so üblich wie in Mexiko.
Die Busse brauchen hier in Lateinamerika fast immer 1-2 (manchmal 3) Stunden länger als geplant.
Vor und während der Busfahrt trinke ich meistens nichts, um nicht auf die Bus Toilette zu müssen, die meistens eher unschön ist. Und vor allem würde man, vor allem wenn man vermeidet sich auf die Klobrille du setzen und dementsprechend in Kniebeuge Position balanciert, durch die Fahrweise der Busfahrer durch die komplette Toilette geschleudert werden. Also besser dursten…
Nichtsdestotrotz sind Busfahrten für mich immer das Niemandsland zwischen zwei Orten wo meine Gedanken so weit schweifen wie sonst nirgends. Man ist nicht mehr am alten und noch nicht am neuen Ort. Quasi obdachlos. Ich nutze die Fahrten immer als Verarbeitungszeit, zur Reflexion und einfach zum Tagträumen. Wenn man es genau nimmt, sind ja die Busfahrten das Eigentliche Reisen…
Essen 🥘🍽️
Puh Essen - ein schwieriges Thema!
Ich als Vegetarierin kann nie einfach zu einem Strassenstand gehen und mir irgendwas auf die Hand geben lassen. Auch in lokalen Restaurants gibt es meistens maximal 3 vegetarische Optionen, die quasi immer aus Reis, einem Tomatensxhnitz und Ei bestehen. Juhu!
Ich habe mich in den ersten 4-6 Wochen zu 20% von Nüssen und Reiswaffeln ernährt, weil das Essen in Kolumbien - so sehr ich das Land liebe - nicht geil war…
Selber kochen geht aber auch nicht immer, denn nicht alle Hostels haben Küchen und in nicht allen Hostels, die eine Küche haben, will man sie benutzen. Manchmal ist es wirklich eklig. Man weiß nie wie gründlich die vorherige Person abgewaschen hat und ich spüle immer alles nochmal ab. Selbst dann riecht man manchmal, wenn man die Gabel gerade zum Mund führt, diesen ekligen Geschirrgeruch… Kühlschränke sind in der Regel versifft und voll gestopft und man läuft Gefahr dass einem jemand was weg frisst.
Man kann immer nur so viel zum kochen einkaufen, wie man in einem oder maximal zwei Tagen verkochen kann, da es weder Ablagen gibt, noch würde kühlungsbedürftiges Essen eine Busfahrt überleben.
Gemütlichkeit und Hygiene 🚿🧼🧹
Ich bin eigentlich eine sehr sehr ordentliche und reinliche Person, aber hier muss ich teilweise sehr sehr viele Abstriche in meinem eigentlich großen Sauberkeitsbedürfnis machen.
Dusche und Bad werden zwar in fast jedem Hostel täglich gereinigt, aber wenn viele Personen vor einem drin waren, ist der Boden trotzdem dreckig, Haare sind im
Abfluss und es ist einfach nicht mehr sauber. Haken gibt es ja eh nie genug, sodass man seine ganzen Klamotten auf dem Klodeckel stapelt und manchmal passiert das unausweichliche: etwas fällt runter. In die nasse Dusche!🚿 Ich HASSE diese Momente! Da man ja wie gesagt nur begrenzte Klamottenauswahl hat, muss man es dann halt nass anziehen.
Ablagen oder sowas wie einen Schrank gibt es nicht. Mein Rucksack entwickelt sich mit der Zeit immer zu einem immer größeren Haufen an Kram und dient hauptsächlich als Trennung zwischen Klamotten und Boden.
In Gegenden wo es nachts kalt ist, tauschen sie pro Person immer nur das Bettlaken und ein Laken als Decke aus und legen darüber dann eine fette Stofffdecke, die vermutlich nie gewaschen wird.
Viel zu oft haben die Zimmer keine Fenster und man hat fühlt sich wie in einem Bunker und verliert jedes Zeitgefühl.
Wenn andere schon schlafen oder man früh wach ist, muss man sich so leise wie möglich und ohne Licht anzumachen immer seinen Kram zusammen suchen. Gleichzeitig wird man gefühlt jeden Tag nachts oder früh morgens von anderen geweckt, die ihr Gepäck nicht nicht am Abend vorher packen oder einfach rücksichtslos sind.
Die Zimmer sind in der Regel funktional und nicht gemütlich. Die Aufenthaltsräume könnten es sein, aber oft sind die Sofabezüge und Kissen darauf so dreckig, dass ich mich nicht drauf setzen will und erst recht nicht in eine der bereitliegenden Decken ein“kuscheln“. Einen gemütlichen, sauberen Rückzugsort hat man nur dann, wenn man sich ein Einzelzimmer bucht. Und auch dann sind die Zimmer nicht geheizt. Also wenn’s kalt ist, ist es überall kalt.
Generelle Bewegungsfreiheit…
Nach Sonnenuntergang sollte ich als allein reisende Frau nicht mehr draußen sein. Die Sonne geht aber 18:30 Uhr unter. Das heißt ich verbringe die Abende fast immer im Hostel. Abendspaziergänge gehen nicht. Und auch bei Tag sind gewisse Gebiete einfach nicht empfehlenswert zum Rumlaufen. Ich wurde schon oft von Locals oder sogar Polizisten angehalten, die mir empfohlen haben, lieber woanders lang zu gehen. Mir ist nie was passiert aber diese eingeschränkte Bewegungsfreiheit ist schon auch nervig.
Heimweh 🏡❤️🩹🛌
Sobald unangenehme Reisemomente auftreten oder es sehr ungemütlich ist und ich mich zurückziehen will, schiessen mir die kleinsten - sonst normalsten - Dinge durch den Kopf, die ich an zu Hause vermisse. Eine saubere, ausgestattete Küche, ein Fach im Kühlschrank, wo ich Sachen aufbewahren kann, sodass ich nicht alles was ich kaufe innerhalb von zwei Tagen aufbrauchen muss. Ein Kleiderschrank mit frischer Wäsche. Nicht jedes Kleidungsstück 5 mal anziehen müssen. Eine eigene Kaffeemaschine. Supermärkte. Nachts rumlaufen können und generell einfach überall sicher zu sein.
Energie ⚡️🔋🪫
Mit meinen Energiereserven muss ich auf diesem langen Trip viel mehr haushalten als sonst. Bei einem Trip bis zu 6 Wochen kann man notfalls einfach ein Event nach dem anderen durchballern und sich dann danach zu Hause ausruhen.
Chilltage sind essentiell aber alles andere oft einmalig und daher gerate ich immer wieder in diese Denke hinein, dass ich lieber alle Gelegenheiten, die sich mir bieten mitnehmen will, anstatt mir die Ruhe zu gönnen, die ich brauche. Ich werde aber immer besser darin, auch mal absolute „Nichts Tu Tage“ einzubauen. Ohne die kippt man sonst irgendwann um…
Das krasseste an den Reisen allein für mich ist, dass niemand jemals alles wissen wird. Ich kann immer nur Ausschnitte mit sowohl den Leuten, die ich vor Ort treffe, als auch den Leuten zu Hause teilen. Nur ich selbst weiß, was dazu gehört, was ich so „meistern“ musste und wo es mal schwierig war. Daher kann auch nur ich selbst mir die gebührende Anerkennung und das nötige Wohlwollen an schlechten Tagen entgegenbringen.
Alle anderen wissen und sehen nur was ich will dass sie wissen und sehen.
So jetzt fühle ich mich, als hätte ich gerade eine Lobrede auf mich selbst gehalten, was ich hier alles ertragen muss, was mir etwas unangenehm ist. Es geht mir keineswegs darum, mich selbst als total tough oder das Reisen als Mega unangenehm darzustellen. Ich wollte einfach das Bild meiner Reise mit den Kehrseiten vervollständigen und für ein realistischeres Bild sorgen.
Ich mag das Reisen nach wie vor.
Diese ganzen Sachen werden weit von den Positiven überwogen.
Nein ich will nicht nach Hause.
Aber ja, es gibt Momente wo ich zu Hause sehr vermisse.
Bis zum nächsten - wieder normalen - Eintrag. 😇
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