Hacienda Venezia - Mitten drin im Kaffee
Ich war nach den zwei Wochen in Cartagena und 3 Tagen in Medellin sowas von parat für ein paar ruhige Tage in der Natur!
Ich habe eine Hacienda auf einer Kaffeefarm circa 6h südlich gefunden und direkt gebucht.
Da es wieder etwas abgelegen ist, gestaltet sich die Anreise wieder einmal etwas schwierig. Obwohl - eigentlich hätte sie nicht schwierig sein müssen.
Mein Bus ist zu der kleinen Stadt Manizales gefahren. Es gibt nur eine Autobahn die dort hin führt und an genau dieser Autobahn am Rand war ein Restaurant, wo ich hinkommen sollte, um dort dann von den Leuten von der Hacienda abgeholt zu werden. Sie bieten bis 17:00 Uhr einen Abholservice von der Autobahn runter zur Hacienda an, den man nach 17:00 Uhr selbst zahlen muss. Mein Bus sollte allerdings erst 16:00 Uhr im 20min von der Hacienda entfernten Manizales ankommen. Recht knapp also.
Da der Bus aber genau am Abholpunkt vorbeigefahren musste, habe ich die Fahrer (auf Spanisch) gefragt ob sie mich nicht einfach dort rauslassen können. Sie haben irgendwas viel zu langes geantwortet und ich habe nur das Wort “beenden” rausgehört und gedacht “Werden mich schon verstanden haben”. Haben sie aber nicht. Als ich wenig später meinen Standort auf Google Maps aktualisiert habe, habe ich gesehen, dass wir schon lange vorbei gefahren sind. Ich hab mich kurz geärgert, weil ich mich gefragt habe, was um alles in der Welt die Fahrer denn gedacht haben, was ich von ihnen will ? Und vor allem hätten sie ja mal nachfragen können, wenn sie den Ort zum Rauslassen nicht gecheckt haben… Naja zu spät. Am Busbahnhof angekommen sollte ich gemäß Anleitung vom Hostel einen Bus nehmen und ihnen drei Stichworte sagen, wo ich hin will: einen Brückenname, den Namen der Autobahn und den des Restaurants. Ich dachte ich frag mal beim Taxi nach was es kosten würde, mich hinfahren zu lassen, da ich ja bis 17:00 Uhr da sein musste, und als der Taxifahrer was von 3€ gesagt hat, bin ich eingestiegen. Für 20min Fahrt ist das gar nichts! Da ich allerdings Google Maps offen hatte, habe ich ihm nicht die drei Stichworte genannt, sondern nur den Namen des Restaurants und hab auf die Karte gezeigt. Er hat nicht mal hingeschaut und ist losgefahren. Kurze Zeit später habe ich gemerkt, dass wir ganz und gar nicht in die richtige Richtung fahren. Ich habe ihn gefragt, wo er hinfährt und dass ich ja zu diesem Restaurant müsse. Wie sich herausstellte, gab es zwei davon! Meine und eins mit dem selben Namen direkt um die Ecke! Deshalb auch nur 3€!
Ich habe ihm in zig Versuchen verklickert wo ich tatsächlich hin will, bis er es endlich gecheckt hat (er war schon etwas älter und bisschen komisch noch dazu) und ab dann 500 Mal “muy lejo” (= sehr weit) gesagt hat. Er wollte mich für 15€ hinfahren. Ich wollte eigentlich nicht, aber mir lief die Zeit davon! Also haben wir uns auf 13€ geeignet und er ist aufs Gas gestiegen! Er ist mit 80km/h durch die 40er Zone gerast und ich hab schon kurz um mein Leben gefürchtet. Allerdings haben wir es durch seinen Affenzahn rechtzeitig geschafft und ich war am richtigen Restaurant! Und ich war doch etwas stolz, dass ich letztendlich das Problem mit meinem mickrigen Spanisch beheben konnte! 😇
![]() |
Die Hacienda in der Landschaft |
![]() |
Mein tolles “Einzelzimmer” |
An der Hacienda angekommen, dachte ich erstmal, ich sehe nicht richtig. Ein knallroter “Truck” mit der Aufschrift “Freiwillige Feuerwehr” stand in der Einfahrt. Erst hab ich es einfach nur gelesen und mir nichts dabei gedacht, bis ich realisiert habe, dass ich in Kolumbien bin und es sehr unwahrscheinlich ist ein deutsches Auto zu sehen!
Wenig später habe ich die Besitzer kennengelernt: Julian und Vivian aus Solingen. Sie reisen seit einem Jahr von Paraguay, über den Südzipfel der Welt mit ihrem Feuerwehrcamper nach Norden. Sie sind nun am Ende ihrer Reise und ihr Camper wird bald wieder zurück verschifft. Da sie aus dem Süden kommen, haben sie mir einige Tipps für Ecuador gegeben und eine sehr toll aussehende Amazonas Tour empfohlen!! Super cool!
Die nette Haushälterin hat mich in einen komplett leeren 8er Dorm einquartiert, sodass ich 3 Nächte ein ganzes Zimmer für mich alleine hatte, indem ich auch mal Sport machen konnte. 😇 Die Betten waren selten so bequem wie dort!
Erster Tag auf der Hacienda
Ich war von den letzten Tagen ganz schön k.o. Physisch fühle ich mich zwar schon seit einer ganzen Weile unterbeansprucht - ich sitze unglaublich viel in Bussen, Hostels oder Restaurants rum für meinen Geschmack - aber psychisch ist es doch recht anstrengend, den ständig wechselnden Input zu verarbeiten. Daher habe ich mir für den ersten Tag auf der Hacienda gar nichts vorgenommen, außer nichts machen ! 😃
Und das Areal war dafür wie geschaffen. Ich habe den Tag in der Hängematte lesend, telefonierend und dösend verbracht. Am Nachmittag bin ich zum Haupthaus (wo die VIP Menschen untergebracht sind, die sich Einzelzimmer statt Dorms leisten können 😉) gelaufen, das einen Pool hat, den wir benutzen dürfen. Ich lag ein paar Stunden mit meinem Buch in der Sonne und habe die herrlichen Temperaturen genossen. Waren genug, dass man in den Pool gehen möchte, aber nicht so heiß, dass man auf der Liege zerschmilzt. Einfach herrlich. Noch dazu die Oage inmitten von Kaffee-, Bananen- und Mango-bewachsener Hügel, zwitschernden Vögeln, Hunderten von Schmetterlingen und einfach Ruhe !!!
Ich hab’s sehr genossen.
![]() |
Ein Kaffeebaum - aber keine roten Beeren dran; also noch nicht reif |
![]() |
Mein spanisches Rätselheft - meine neue Beschäftigung |
Am Abend habe ich Sofia (Südafrikanerin) kennengelernt, die auf der Hacienda ihre Masterarbeit über die Arbeitsbedingungen von venezuleanischen Kaffeebauern in Kolumbiens schreibt. Ausserdem Jack, einen Holländer und Driss, einen Franzose mit amerikanischen Wurzeln. Wir hatten es sehr gut miteinander und haben bei Abendessen geplaudert und gelacht. Und ich hatte Angst, dass sich in diese abgelegene Hacienda niemand in meinem Alter verirrt. 😉
Zweiter Tag auf der Hacienda
In der Nacht wurde ich auf einmal von einem Weltuntergangs-ähnlichen Donner geweckt. Es war der absolute Wahnsinn. Ich habe schon davon gehört, dass Donner in anderen Teilen der Welt zig mal krasser sein sollen als bei uns, aber ich habe es noch nie selbst erfahren! Dieser Donner kam einem Erdbeben gleich! Ich habe die Vibration überall gespürt und es war unglaublich laut! Ich lag mit Puls auf 200 im Bett und habe gebetet, dass nicht gleich der Blitz einschlägt. ⚡️🌩️
Das Wetter am zweiten Tag war bewölkt aber trocken, sodass Jack, Driss und ich uns auf eine kleine Wanderung aufgemacht haben. Durch die Kaffeeplantagen haben wir uns nach oben gekämpft. Wir haben immer wieder mal ein Rascheln in den Plantagen gehört und dann viele viele Kaffeepflücker - hauptsächlich Flüchtlinge aus Venezuela, wie wir später erfuhren - in den Büschen entdeckt. Sie fangen früh um 6:00 Uhr an und pflücken bis 17:00 Uhr abends. Sie werden pro gepflücktem Kilo bezahlt. Allerdings nur wenn es gute Qualität hat - also nur die roten Beeren. Sie bekommen umgerechnet 25 Cent aufs Kilo!! 🫠😬
![]() |
Das Prachtexemplar von Orangenbaum auf dem Grundstück vom kolumbianischen Pärchen |
![]() |
Kaffeepflücker bei der Arbeit |
Wir sind weiter gewandert und an einem Orangenbaum stehen geblieben, wo wir vergeblich versucht haben, einige reif aussehende Exemplare zu ernten. Eine Frau kam hinter uns aus ihrem Grundstück und hat ihren Mann zum Essen gerufen, indem sie sich a den Abgrund gestellt hat und “Listooo!” (=Fertig) irgendwo ins Tal unter uns gebrüllt hat. 2min später stand ein Mann neben uns! 😃 Die beiden haben unsere Erntebemühung beobachtet und uns in ihr Grundstück eingeladen, wo sich ein Früchtebaum a den anderen reiht. Der Mann kam mit zwei Säcken Orangen an und hat uns gefühlt 20 gegeben. Wir wussten gar nicht wohin damit. Dann hat er einen Pflückstab geholt und noch ein paar frische Mandarinen für uns geerntet. Und für das volle Programm durften wir dann noch den selbstgemachten Orangensaft probieren. Wir haben bisschen mit ihnen geplaudert, wo sie herkommen, ob sie Kinder haben, wie lange sie schon in diesem - wirklich sehr tollen Grundstück - wohnen, und was das alles für Pflanzen sind, die überall wachsen.
Sie waren super lieb und wollten auch kein Geld von uns. Was für eine schöne Begegnung! 🍊🥰
![]() |
Frische Ernte! |
![]() |
So müssen die Kaffeebohnen aussehen! |
Auf dem Rückweg zur Hacienda mussten wir, sobald wir an irgendeinem Grundstück vorbei gelaufen sind, immer gegen 1-4 bellende Hunde verteidigen. Sie greifen nie an, kommen aber bedrohlich nah und knurren was das Zeug hält. Angst vor Hunden darf man beim Reisen wirklich nicht haben. Nervös waren wir aber alle drei als wir vorbei gelaufen sind! 😬🐕🐾
Am Wegesrand habe ich auf einmal riesige Früchte im Baum entdeckt und mir einen großen Stock geschnappt. Nach 10 Mal anstupsen machte es “Plop” und die Riesenfrucht fiel zu Boden. Es war ein Monsterexemplar von Papaya! 🫣 Ich war super stolz auf meine Ernte und habe mein Frucht-Baby nach Hause geschleppt. Das kam einem Armworkout gleich und wir haben uns abgewechselt… 😉 Mit meiner Monster Papaya hatte ich keine Angst mehr vor Hunden - wenn ich dir hochheben würde, würde jeder Hund reiß aus nehmen… 😃🐾
Zurück in der Hacienda haben wir die Papaya angeschnitten und wurden enttäuscht: sie war überhaupt nicht reif. 😕
![]() |
Sehr distanzierter Kuss - die Papaya war total versifft von der Milch am Stamm |
Den restlichen Tag hat es leicht geregnet und wir haben daher in den Hängematten gelesen und geschlafen. Sehr idyllisch.
Am Abend haben wir uns an der Rezeption ein Pizza-Kit (Teig, Soße, Käse) geholt und im Pizza Ofen Pizza gemacht. Da ich es mit dem Durchmesser des Teigs total übertrieben habe, musste ich aus Stabilitätsgründen eine Calzone draus machen - und selbst die war noch sehr hässlich. 😁 Naja egal, geschmeckt hat’s
Dritter Tag auf der Hacienda
Am dritten Morgen auf der Hacienda habe ich das gemacht, was man natürlich machen muss, wenn man auf einer Kaffeefarm wohnt: eine Kaffeetour!
9:00 Uhr ging’s los und gemeinsam mit einem amerikanischen Pärchen ging es los.
Hier die wichtigsten Infos über Kaffee zusammengefasst: ☕️
- Es gibt Arabica und Robusta Kaffee; Arabica Kaffee wächst erst ab 900m über dem Meeresspiegel und wird ausschließlich mit Hand geflückt. Die Arabica Pflanzen sind dichter beieinander und dadurch kann keine Erntemaschine durch die Plantage fahren - wie bei Robusta.
- Kolumbien ist das einzige Land was nur Arabica Kaffee produziert.
- Manchmal werden die ganzen Bohnen getrocknet, manchmal die geschälten Bohnen fermentiert, manchmal nichts davon - so entstehen verschiedene Grund-Kaffeesorten
- Weitere Vielfalt entsteht durch den Grad der Röstung
- Es gibt 1.,2. Und 3. Qualitätskaffee; im besten sind ausschließlich rote Bohnen enthalten
- Im Supermarkt sollte man auf folgende Sachen auf der Kaffee Packung achten: Arabica, ganze Bohnen geröstet, in über 1000m Höhe angebaut, in ganzen Bohnen kaufen für längere Haltbarkeit
- Ein Kaffeebaum hat eine Ertragszeit von 25 Jahren; danach muss er gefällt werden
- Innerhalb von 6 Monaten reifen die Beeren; es gibt zwei Haupterntezeiten im Jahr: September/ Oktober und Mai/ April
- Kaffeeplantagen sind meistens mit einer Fruchtpflanze in Symbiose weil sie sich die Nährstoffe teilen und Insekten vertreiben. oftmals Kochbanane
Ich könnte noch mehr schreiben aber das ist das Wichtigste denke ich. Sehr interessant!
![]() |
In der Kaffeeproduktion |
![]() |
Dieses weiße Zeug rund um die Kakaobohne schmeckt wie Lychee! Nur nicht drauf beißen, dann wird’s bitter! |
![]() |
Die Einzel eben Schritte des Kaffees |
Das amerikanische Pärchen von der Kaffeetour ist anschließend mit ihrem Mietauto nach Pereira weitergefahren, wo ich auch hin musste, um dort in den Bus nach Salento - meinem nächsten Stop - umzusteigen. Sie haben mir angeboten mich mitzunehmen und so habe ich einen kleinen Teil meiner teuren Taxifahrt am Anreisetag mit einem kostenlosen Transport am Abreisetag wieder ausgeglichen. 😉
Nun geht es in den landschaftlich vermutlich berühmtesten Teil Kolumbiens: nach Salento und ins Cocora Valley. Wer “Kolumbien” im Internet eingibt, wird mit Sicherheit ein Bild von den mit 60m hohen Palmen gesäumten Hügeln des Cocora Tals finden.
Bis bald 🌴😇
Kommentare
Kommentar veröffentlichen