Bogota - Graffiti, Früchte und neue Freunde

Als ich am Morgen des ersten Tages in Bogota ganz allmählich in die Wachwelt hinübergeglitten bin, wollte ich noch ein bisschen länger am Schlaf festhalten, da ich mir sicher war, wenn ich auf die Uhr schaue, steht dort 4:00 Uhr. Ich habe mich nochmal umgedreht und gedöst, konnte und wollte mich dann aber gegen 5:00 nicht weiter zum schlafen zwingen, sondern den ersten Blick bei Tageslicht auf Bogota werfen. 

Ich bin duschen gegangen und habe mich mit einem Kaffe (es gab 24/7 kostenlosen Kaffee im Hostel! Für Kaffeetanten wie mich ganz gefährlich 😉) und meinem Tagebuch auf die Dachterasse gesetzt. Aber zum Schreiben bin ich gar nicht gekommen. Ich habe eine Memo von einem Freund aus Zürich halblaut laufen lassen und ein Mädchen zwei Tische weg von mir hat es irgendwie gehört und mich dann auf schweizerdeutsch gefragt: “Bruchsch Milch für de Kaffee?”. ☕️ Ich war kurz komplett irritiert woher sie wusste dass ich schweizerdeutsch verstehe aber habe dann a die Memo gedacht, die auch auf schweizerdeutsch war. Wir haben unseren Kaffee gemeinsam geschlürft und sind ins Gespräch gekommen. Linn ist aus der Innerschweiz, schon einen Monat in Kolumbien gereist und - was für ein Zufal - hat gerade ihren Master in Psychologie an der Uni Zürich abgeschlossen! 

Wir haben uns übers Reisen und das Studium ausgetauscht und dann mit noch ein paar anderen Yoga auf der Dachterasse gemacht. 

Ich mache sonst nie Yoga und muss sagen, dass es mir teilweise recht schwer fällt, so lange so präsent zu sein, wie es das Yoga erfordert. Und vor allem schien die Stunde einfach kein Ende zu nehmen. Immer nochmal die Arme hoch, immer nochmal in den Herabschauenden Hund… Und dann kamen urplötzlich von irgendwo Leute mit fetten Fernsehkameras die sich auf die enge Dachterasse gequetscht haben und angefangen haben uns zu filmen. Und das komische: Alle haben so getan als wären sie nicht da. Niemand hat uns gefragt ob wir überhaupt gefilmt werden wollen, und der Yoga Lehrer hat unbeirrt weiter gemacht… 

Nach einer langen Zeit waren wir dann endlich in der Schlussentspannung und tatsächlich, nach einem kurzen Blick auf die Uhr hat sich mein Gefühl bestätigt: er hat statt einer zwei Stunden Yoga mit uns gemacht. Aber es hat mir unglaublich gut getan jeden Muskel einmal zu bewegen nach dem langen Flug. 


Durch das Yoga habe ich Julius kennengelernt. Er ist ursprünglich aus Hamburg, hat sich aber mit Haut und Haar in Wien verliebt, wo er seit einigen Jahren Umweltingeneurwesen studiert. Wir sind gestern zeitgleich eingecheckt, aber da habe ich ihn noch, wegen seines tadellosen Englischs (was er aus seinem

Auslandsjahr in Neuseeland hat) als Ami abgestempelt. Wie sich herausstellte sind wir schon von Zürich an Im selben Flugzeug nach Madrid und dann nach Bogota geflogen und haben dann auch noch zeitgleich einen Uber ins selbe Hostel genommen! 😃 Schon wieder so ein Zufall! 






Wir haben zusammen gefrühstückt und beschlossen zusammen die Stadt erkunden zu gehen. Wir mussten nur um 2-3 Ecken biegen und schon waren wir am Plaza Bolivar, dem Platz im Zentrum der Stadt. Über diesen Simon Bolivar muss ich mich noch mehr informieren, denn gefühlt jede zweite Ecke ist nach ihm benannt. Wir haben einen Zuckerrohrsaft ausprobiert, der vor unseren Augen gepresst wurde und ewige Jugend versprach und sind nach dem ersten Schluck in Wolke 7 aufgestiegen: Soooo lecker aber soooo süß und definitiv keine Verjüngungskur! 


Nach einem ausgiebigen Stadtspaziergang sind wir zurück ins Hostel und haben kurz verschnauft. Die ganzen Geräusche, Farben, Menschen und das generelle Chaos der Stadt laugt mich immer ganz schnell aus. 

Um 14:00 Uhr wollten wir eine free walking Tour durchs Stadtzentrum machen um noch die nötigen Infos zu Geschichte und Politik aufzusammeln. Als wir pünktlich am Treffpunkt ankamen, war dort niemand mit rotem Regenschirm (so sollten wir den Guide erkennen) zu sehen. Dafür aber eine Frau mit blauem Regenschirm. Sie war allerdings von der Graffiti Tour. Sie hat unseren Guide angerufen und gesagt, die Tour findet nicht statt. Also sind wir kurzerhand mit ihr mit. 


In Bogota ist es an jedem öffentlichen Ort legal, Graffiti zu sprühen und wenn man erstmal ein gewisses Renommee als Graffiti Künstler hat, dann werden die Kunstwerke auch nicht mehr von anderen übersprüht - Aus Respekt. Viele der Graffiti sind politisch und weisen auf Missstände hin, wobei die besten von ihnen in Stadtteilen sind, in die wir als Touristen nicht gehen sollten. 

Es war sehr spannend, und unsere Stadtführerin hat auch viele Graffiti- unabhängige Infos eingestreut, wie etwa die Bedeutung von Kaffee, Coca Anbau und dass Bogota seit 70 Jahren versucht ein Metro System zu bauen und seit 70 Jahren scheitert. 😬😃











Nach der Tour sind Julius und ich mit der Stadtführerin, einem Kollege von ihr und den restlichen “Mitgelaufenen” der Tour noch was trinken gegangen und ich konnte es schon wieder gar nicht glauben, dass ich am ersten Tag in so einem neuen sozialen Kreis in Bogota einen Kaffee schlürfe. Die beiden Guides haben uns allen quasi eine gratis Reiseberatung gegeben und ich habe alles gefragt was ich noch bezüglich “wohin sollte man gehen und wohin eher nicht” wissen wollte gefragt. 


Am Abend haben Julius und ich uns gerade für einen super billigen Happy Hour Cocktail an der Hostelbar niedergelassen, da spricht uns Mary (eigentlich Marisa) aus Berlin an. Sie ist auch erst angekommen und verbringt einen Monat in Kolumbien. Es ist ihre erste Reise außerhalb von Europa und auch die erste alleine. Das finde ich direkt sehr bewundernswert und mutig und wir drei quatschen eine Weile. 


Am Abend gibt es ein Familien Dinner vom Hostel und Julius und ich, ausgehungert wie wir waren, sind angesichts der kolumbianischen Ineffizienz beim Essenverteilen fast verrückt geworden. Es waren zwei Frauen, die gekocht und bewirtet haben. Aber eine hat jeweils immer daneben gestanden und zugeschaut, statt den nächsten Teller vorzubereiten. Und dann sind sie zu zweit - eine mit dem Tablett mit dem Essen in der Hand und eine ohne irgendwas - zu der Person gelaufen, der sie das Essen hingestellt haben. Das ist uns zur Effizienz erzogenen Deutschen natürlich ein Graus. Aber das Essen war umso leckerer!

Und weil es abends recht schnell recht kalt wurde (fast auf 10 Grad) habe ich mich nach der warmen Mahlzeit und einem tollen ersten Tag ins Bett verabschiedet. 


Zweiter Tag in Bogota 

Am nächsten Morgen waren Julius und ich die einzigen beim Yoga - alle anderen waren vermutlich abgeschreckt durch die Länge vom Vortag. 

Nach dem Frühstück haben wir Jacob kennengelernt, ein super entspannter und fröhlicher Österreicher, der, nachdem er am Vorabend erst gegen 22:00 Uhr angekommen ist, direkt mit Leute aus dem Hostel in einen Club weitergezogen ist und bis 4:00 Uhr früh durchgemacht hat. Ein Energiebündel wie es im Buche steht! 














Julius, Jakob und ich sind mit dem Uber (die sind hier total billig) in ein weiter entferntes Stadtviertel gefahren und Mary wollte nachkommen. Wir haben uns gegen Mittag in einem sehr bekannten Kaffee wiedergetroffen wo wir eine Selektion von kolumbianischem Kaffee vergustiert haben.

Zu viert sind wir dann weiter durch das Stadtviertel Chapinero gelaufen, was teilweise unglaublich modern, sauber und fast schon europäisch aussah. Innerhalb von 3 Straßen hat es aber dann zum Gegenteil gewechselt. Flache Häuser, aufgerissene Bordsteine, dubiose und sehr chaotische Mini Läden in den Seiten Eingängen und viel mehr Gewusel und Straßenverkehr. Wir sind ein ganzes Stück zu einem Markt gelaufen, wo wir Früchte kaufen wollten. Wir haben einfach auf alles gezeigt, was wir noch nie gesehen haben und die Verkäuferin am Obststand hatte ihre Freude mit uns unwissenden Touris. Wir vier waren alle Feuer und Flamme fürs Probieren neuer Früchte und sind schließlich mit mindestens 2kg Früchten zurück ins Hostek gefahren. 


Dort haben wir dann auf der Dachterasse ein Fruit Tasting veranstaltet: Alle haben probiert und erst dann wurde das fachmännische Urteil über den Geschmack verkündet. Es sei denn man hat vorher schon anhand der Mimik erkannt, dass es sehr sauer ist. 😉 Es waren sehr interessante Sachen dabei aber die gute alte Mango ist schon mit unter den Top3 der leckersten Früchte geblieben. 









Am Abend waren wir noch zusammen essen und sind in recht tiefgründige Themen vorgedrungen. Ich habe mich in dieser 4er Konstellation so wohl gefühlt und es total

genossen. Was für ein Glück - und das direkt am Anfang! 


Dritter Tag in Bogota 

Umso trauriger war es, dass es mich am nächsten Tag komplett umgehauen hat. Ich habe schon beim Aufstehen gemerkt, dass was anders ist als sonst und habe mich dann sogar noch durch die erste halbe Stunde vom Yoga gezwungen. Aber ich hatte einfach keine Kraft und habe mich um 8:00 wieder ins Bett gelegt. Es wurde immer schlimmer und ich lag einfach nur leidend im Bett. Meine Glieder taten weh, mein Kopf hat gedröhnt, mir war abartig kalt obwohl mein Körper geglüht hat und vor allem war meine Haut unglaublich sensibel auf jegliche Bewegung. Das Shirt auf der Haut tat fast schon weh. Ich lag ein paar Stunden so im Bett und konnte mich dann, nachdem ich eine Paracethamol genommen hatte, zum
Supermarkt schleppen und dort ein paar Sachen einkaufen und einen Saft trinken. Zurück im Hostel haben Julius und Jacob gerade Avocado Toast mit Tomate und Ei gemacht und mir lieberweise auch eine Portion gemacht. 


Danach bin ich wieder ins Bett gekrochen und es wurde nur noch schlimmer. Ich habe mich wirklich hundeelend gefühlt. Wollte nichts lesen, nichts sehen, kein Handy anschauen, mit niemandem reden und selbst die Augen aufzumachen war schon zu viel Input für mein Hirn. Die anderen haben sich unglaublich lieb um mich gekümmert und ich habe mich trotz des Elends in sehr guten Händen gewusst. Jacob hatte die geniale Idee seine nicht isolierende Trinkflasche mit heißem Wasser zu füllen und mir als Wärmflasche unter die Decke zu legen. Dadurch war mir endlich nicht mehr kalt. 

Ich habe den ganzen restlichen Tag im Bett gelegen und habe mich von 13:00 bis 8:00 Uhr früh nicht wegbewegt. Ich hatte es so nötig einfach nur da zu liegen und gar nichts zu machen. Die Tabletten die ich genommen habe, haben nur dazu gedient mir das Schlafen zu ermöglichen. Es war wirklich total beschissen…


So konnte ich auch nichts mehr mit den anderen unternehmen und am nächsten Morgen auch nicht mit auf den Hausberg von Bogota - Montserrat. Aber ich wusste, dass es wichtiger ist, mich auszukurieren. Sonst zieht es sich doppelt so lange….


Am nächsten Tag sind Julius und ich am Morgen nach San Gil im Norden Kolumbiens weitergereist. Aber dazu mehr im nächsten Eintrag.


Aber kleiner Spoiler: Mir ging es recht schnell wieder viel besser und ich werde genug Kraft haben dieses Outdoor-Aktivitäten Paradies in dem wir jetzt sind voll auszukosten. 😇🥳

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