Gedanken zum Leben auf dem Fahrrad...
Nun sitze ich wieder zu Hause, vorm Computer, mit vier Wänden um mich herum und einem Dach über dem Kopf. Der unmittelbare Kontrast zum Radlerleben... Diese zweite Radreise durch Schweden und - unerwarteter und ungeplanter Weise - auch durch Dänemark, war mit 16 Tagen bisher meine kürzeste Reise alleine. Aber gerade durch ihre Kürze war sie etwas Besonderes.
Ich möchte, wie immer nach meinen Reisen, meine wichtigsten und lehrreichsten Erfahrungen und Eindrücke festhalten...
Leben in der Natur
Obwohl es dieses Jahr ein paar emotionale Anlaufschwierigkeiten gab und ich zu Beginn gar nicht so Feuer und Flamme war, wieder 24/7 draussen zu sein und in der Natur zu leben, habe ich mich doch recht schnell wieder reingefunden. Ich glaube mittlerweile, dass es gerade das in und mit der Natur leben ist, was das Radreisen so erfüllend und gleichzeitig erdend macht. Ich habe, gerade als mich Schwedens Wälder und die Abgeschiedenheit verschlungen haben, viel über meine Wahrnehmung von und mein Empfinden in der Natur nachgedacht... Mir ist aufgefallen, was für eine unglaubliche Ruhe die Natur ausstrahlt. Abgesehen vom Wind, der durch die Bäume streift oder Tieren bewegt sich nichts. Die Natur ist statisch und dynamisch zugleich. Denn trotz der Ruhe, die sie ausstrahlt, geht gleichzeitig eine stark präsente Vitalität von ihr aus, die man als durch sie hindurch radelnder Mensch spürt.
Trotz meines Unwohlseins in der starken Abgeschiedenheit schwedischer Wälder habe ich es rückblickend so empfunden, das gerade an den Orten, wo die wenigsten Menschen bzw. menschlichen Spuren zu finden waren, die Ruhe und Vitalität, die auf mich abgestrahlt haben, am stärksten waren. Ich glaube auch, dass die Wirkung der Natur, die ich hier beschreibe, eher etwas Unbewusstes ist, was man gar nicht wirklich bemerkt. Es passiert einfach.
Ich hatte sowohl letztes als auch dieses Jahr die Natur nie satt. Natürlich war es dieses Jahr mit all dem unberechenbaren Wetter herausfordernder als letztes Jahr, aber es gab keinen einzigen Moment, in dem ich mich lieber in ein Hotel gewünscht hätte. In meinem Zelt fühle ich mich pudelwohl und schlafe besser als sonst irgendwo.
Als ich wieder an der Küste und in besiedelteren Gebieten unterwegs war und auch mal durch grössere Städte durchgefahren bin, ist mir der Kontrast zwischen Natur und menschengemachten Städten umso mehr aufgefallen: In Städten bewegt sich alles! Seien es Fussgänger, Radelnde, Autos, Busse, Züge, Schiffe, Werbetafeln oder irgendwelche Bauarbeiter. Alles ist in Bewegung und diese Bewegtheit bringt mich in Unruhe - das habe ich dieses Mal ganz deutlich gespürt. Und eigentlich auch schon letztes Jahr, als ich Götheborg und Kopenhagen binnen kürzsetser Zeit wieder verlassen habe, weil ich einfach nur Kopfschmerzen bekommen habe, vor lauter Reizüberflutung.
Als die Fähre von Trelleborg ablegte, wusste ich, dass ich das Leben in der Natur und das ununterbrochene Draussensein am meisten vermissen werde. Ich merke immer wieder, dass ich mich Draussen (und in meinem Zelt) am wohlsten fühle.
Menschen und Begegnungen
Ich glaube diese Reise war die sozialste, die ich je hatte. Ich habe fast jeden Tag neue tolle Leute kennengelernt und bei zwei ganz herzlichen Familien übernachtet. Seit meiner ersten Reise alleine 2020 ging die Intitiative für Bekanntschaften immer mehr von mir aus. 2020 habe ich mich sehr zurückgehalten und habe sogar 2 Wochen lang mit niemandem so richtig Kontakt geknüpft. Aber nicht weil ich mich nicht getraut habe, sondern weil ich gar kein Bedürfnis danach hatte.
Dieses Jahr dagegen habe ich alle angesprochen, die mir in die Quere gekommen sind! Ich hatte eine ganz andere innere Einstellung zu neuen Reisebekanntschaften als sonst. Ich habe es einfach als Bereicherung empfunden, mich mit so vielen unterschiedlichen Menschen über ihre vergangenen Erfahrungen und Abenteuer auszutauschen und vor allem zu erfahren, was sie am Reisen so anziehend und faszinierend finden.
Einmal mehr hat mir diese Reise gezeigt, dass man, wenn man alleine reist nicht wirklich alleine ist. Die nächste Begenung ist nur einen Shelter entfernt. 😉
Fahrrad fahren
Dazu muss ich gar nicht viel schreiben. Ich liebe es einfach! Auch hier hat es 3-4 Tage gedauert wieder richtig reinzukommen, aber schon bald, wollte ich einfach nur noch fahren und habe mein Vorhaben mit den kleinen Etappen über Bord geworfen. Dazu bin ich ja schliesslich auch da!
Wenn ich auf dem Fahrrad sitze, ist das wie eine kleine Therapie für mich. Egal wie mies gelaunt ich aufgestiegen bin, ich steige immer gut gelaunt wieder ab. Mein vollgepacktes Fahrrad ist über die Reise hinweg eine Einheit mit mir und quasi mein Zu Hause auf zwei Rädern. Es ist einfach ein unglaubliches Freiheitsgefühl.
Ich weiss mittlerweile, dass es ungefähr eine Woche dauert, bis der Körper sich an die Radler-spezifischen Schmerzen (Po, Rücken, Handgelenke, Nacken) gewöhnt und es weniger oder erst viel später weh tut. Nach zwei Wochen haben sich die Muskeln drauf eingestellt und ich merke, wie ich auf einmal viel mehr Kraft habe und mich viel weniger anstrengen muss. Von daher habe ich dieses Jahr genau dann aufgehört, als ich eigentlich komplett aufs Fahrradfahren eingestellt war.
Verdrängung aller Nachteile...
Trotz meiner ganzen Schwärmerei für das Leben auf dem Rad gibt es natürlich auch einiges was nervt. Und ich muss sagen, ich habe es meisterhaft hinbekommen, alle negativen Aspekte des Radreisens erfolgreich seit dem letzten Jahr zu verdrängen!
Da wäre zum einen der gute alte Wind. Stellt man sich das Radeln entlang der Küste doch so idyllisch und landschaftlich romantisch vor, so ist es in Realität sehr oft ein Kampf mit einem unsichtbaren und allgegenwärtigen Gegner. Wenn man keine Brille auf hat, sieht man auch gar nichts von der Umgebung weil man aus dem ständigen Blinzeln gar nicht mehr rauskommt. Und davon abgesehen ist das Fahren natürlich ungleich anstrengender. Da hilft kein Fluchen und kein Warten. Man muss einfach seinen Frieden mit dem Wind machen.
Dann gibt es da noch das Wetter, von dem man - wie ich dieses Jahr erstmals lernen durfte - vollkommen abhängig ist und auch ausgeliefert. Kälte und Regen entscheiden über den Genuss des Reisens mehr als alles andere.
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Am Himmel sah es dieses Jahr öfter mal so aus… |
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Sogar meinen ultra stylischen Regenponcho habe ich angezogen. |
Auch das Leben im Zelt und den minimalistische Lebensstil muss man mögen. Jeden Tag alles auf- und abbauen, fast nichts einkaufen, sehr spartanisch kochen und essen und auch mal mehere Tage auf die Dusche zu verzichten (oder sich auf ein Seebad zu beschränken) ist nicht Jedermanns Sache - und auch nicht immer meine. Wobei ich sagen muss, dass es nur am Anfang mühsam ist und ich wie gesagt erstmal wieder reinkommen muss, aber es - bin ich wieder drin - mich ab dann nicht mehr stört.
Alleine Reisen (als Frau)
Wie immer noch ein paar kurze Worte zum Alleine Reisen... Auch das braucht immer ein paar Tage, bis ich mit der Stille des fehlenden Austauschs umgehen kann und nicht ständig nach Ablenkung suche. Mittlerweile ist es mir aber schon so vertraut, alleine unterwegs zu sein, dass ich schnell wieder reinfinde. Dennoch, wenn ich gerade aus einer sehr sozialen und Interaktions-reichen Zeit komme, fällt es mir zu Beginn meistens schwerer und ich fühle mich auch mal einsam.
Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal über die Unterschiede zwischen dem Alleinereisen als Frau und als Mann nachgedacht. Als ich mit Bosse (in Warnemünde kennengelernt und in Dänemark wiedergetroffen) den Regen ausgeharrt habe und wir über unsere Reiseerfahrungen geredet haben und ich ihm erzählt habe, wie oft ich Hilfe angeboten oder eingeladen werden, hat er mich erstaunt angeschaut. Das wäre ihm noch nie passiert oder zumindest so selten, dass es fast nicht ins Gewicht fällt. Wir haben über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die allein unterwegs sind, philosophiert und ich bin mittlerweile recht überzeugt, dass man als allein reisende Frau deutlich öfter Hilfe angeboten bekommt, als als Mann. Viele sehen immer nur die zusätzlichen Gefahren, wenn man als Frau reist, aber ich denke wesentlich öfter gibt es zusätzliche Nettigkeiten, Hilsangebote oder Einladungen. Das vergisst man häufig und war mir bis zu dem Gespräch mit Bosse gar nicht wirklich bewusst.
Ich muss zugeben, dass ich auf beiden Radreisen, die ich nun schon gemacht habe nur eine einzige allein reisende Frau getroffen habe (Laura, mit der ich an der Nordsee entlang geradelt bin). Ich bin sonst schon immer die absolute Ausnahme. In der Regel reisen Paare zusammen oder es sind alleinreisende Männer in verschiedensten Altersgruppen. Aber keine jungen Frauen wie ich. Das heisst aber nicht, dass man es nicht trotzdem machen sollte, wenn man will 😉.
So sehr ich das Radreisen liebe, so sehr sehnt es mich auch danach, das Fahrrad nächstes Jahr mal zu Hause zu lassen und zu Fuss loszuziehen. Die Idee einer Weitwanderung ist ja schon lange in meinem Kopf und ich denke es ist Zeit es, nach meinem ersten (gescheiterten) Versuch 2021 nochmal zu versuchen. Dann werde ich auch alle Vorzüge des Radreisens wieder viel mehr schätzen können, wenn ich irgendwann wieder mit dem Rad los ziehe.
Meine Route dieses Jahr...
Hier findet ihr noch meine Route von diesem Jahr. Bezüglich der Kilometer tappe ich dieses Jahr etwas im Dunkeln, da mein Tacho am zweiten Tag kaputt gegangen ist und ich das als Zeichen genommen habe, die Kilometer einfach gar nicht zu zählen.
Wenn ich die Route eingebe, zeigt es mir knapp 1100km an. Irgendwas in dem Dreh - vermutlich mehr, weil ich mich immer mal verfahren habe - wird es sein.
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Ich kann leider den dänsichen und schwedischen Teil nicht zusamen anzeigen lassen... |
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der schwedische Teil mit Start und Ziel in Trelleborg |
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der dänsiche Teil |
In einer Woche geht dann mein Blog zu meiner Marokko Reise los. Also schaut ruhig wieder rein. Bis dahin!
Tina 😊
Einfach mal machen 😊 man erlebt einiges wie wir alle bei dir sehen.
AntwortenLöschenSuper schöne Bilder und Texte die du verfasst hast.
Wünsche dir für deine nächste Etappe ganz viel Spaß und eine super coole Truppe mit der du dann unterwegs sein darfst.
LG Laura
Danke liebe Laura! Ich werde euch auf dem Laufenden halten, wie es in Marokko so ist. 😊 - Tina
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